zur Startseite
Aufführungen / Theater Kleines Theater Salzburg Salzburg, Schallmooser Hauptstr. 50
Aufführungen | Oper

Hotel Metamorphosis

Salzburger Festspiele

Premiere: 31.7.2025 Ein Pasticcio mit Musik von Antonio Vivaldi in zwei Akten Texte von Ovid in der Übersetzung von Hermann Heiser Fassung von Barrie Kosky und Olaf A. Schmitt Eine junge Frau, die ihren eigenen Vater begehrt und in einen Baum verwandelt wird. Ein junger Mann, der sich selbst so sehr liebt, dass er die Avancen einer Nymphe nicht wahrnimmt, die schließlich nur noch als Stimme existiert. Eine Göttin, die ihre Konkurrentin wegen ihrer makellosen Webkunst in eine Spinne verwandelt. Ein Mann, dessen Statue einer für ihn perfekten Frau lebendig wird. Ein legendärer Sänger, auf dessen Rückkehr seine Geliebte in der Unterwelt wartet. Seit über 2000 Jahren prägen die Metamorphosen des Ovid unsere Kultur und sind eine unerschöpfliche Inspirationsquelle für unzählige künstlerische Bearbeitungen. Wie die Figuren der einzelnen Geschichten verwandeln sich auch die Geschichten selbst, deren Fantasie und Ungeheuerlichkeit bis heute faszinieren. Die Grenzen zwischen Mensch und Natur, Göttern und Tieren verschwimmen. Die erstaunlichen Begebenheiten entspringen dennoch der menschlichen Wahrnehmung zwischen Traum, Wirklichkeit, Albtraum, Halluzination. Unglaubliche und groteske Fantasien, die Menschen in fremder Umgebung an unbekannten Orten ereilen. Ovids Kosmos und zahlreiche weitere antike Stoffe erzeugten gerade in den ersten beiden Jahrhunderten der jungen Gattung Oper einen unschätzbaren Reichtum an Musik. Atemraubend virtuos und ergreifend emotional, offenbarte diese neue Kunstform auch spielerische Leichtigkeit, feinsinnigen Humor und ungebändigte Verwandlungslust. So entstand die Gattung des Pasticcio, wofür aus bereits bestehenden Stücken eines oder mehrerer Komponisten ein neues Werk zusammengestellt wurde. Die ursprünglichen Handlungselemente wurden angepasst, oder man erfand rund um die ausgewählten Musikstücke eine komplett neue Geschichte. Ihre Blüte erlebte diese durchlässige und wandlungsfähige Form der Oper und des Oratoriums in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Italien. Antonio Vivaldi selbst kombinierte für sein Pasticcio Il Tamerlano (Il Bajazet) eigene und fremde Kompositionen. Aus der einzigartigen Vielfalt von Vivaldis Arien, Ensembles und Chören entsteht für Hotel Metamorphosis ein Pasticcio unserer Zeit, das einzelne Episoden aus Ovids Metamorphosen mit dieser besonders affektgeladenen Musik erzählt. Die Verwandlungen der mythischen Gestalten werden zu wundersamen Ereignissen, die heutigen Menschen widerfahren. Vivaldis Orchestermusik, die häufig einzelne Instrumente hervortreten lässt, bietet ein farbenreiches Spektrum, um Ovids Geschichten in Tanz und Bewegung zu verwandeln. Durch die verschiedenen Welten wandelt die Orpheus-Figur als Erzählerin. Cecilia Bartoli hat mit Varduhi Abrahamyan, Lea Desandre und Philippe Jaroussky eine herausragende Gesangsbesetzung für dieses neue Pasticcio zusammengestellt. Die Sängerinnen und Sänger verkörpern auf der Bühne unterschiedliche Figuren, die ihre eigenen Metamorphosen und die anderer erleben. Als Schauspielerin agiert Angela Winkler mit ihnen. Gianluca Capuano, ein Vivaldi-Experte und seit vielen Jahren regelmäßig in Salzburg zu Gast, dirigiert Les Musiciens du Prince — Monaco. Regisseur Barrie Kosky kehrt mit diesem besonderen Projekt nach Orphée aux enfers und Káťa Kabanová zu den Festspielen zurück. Musikalische Leitung: Gianluca Capuano Regie und Konzept: Barrie Kosky Choreografie: Otto Pichler Bühne: Michael Levine Kostüme: Klaus Bruns Licht: Franck Evin Video: rocafilm Konzept und Dramaturgie: Olaf A. Schmitt Il Canto di Orfeo, Jacopo Facchini, Les Musiciens du Prince — Monaco Besetzung: Cecilia Bartoli, Arachne / Eurydice Varduhi Abrahamyan, Minerva / Nutrice Lea Desandre, Echo / Statua / Myrrha Philippe Jaroussky, Narcissus / Pygmalion Angela Winkler, Orpheus In deutscher und italienischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln
Aufführungen | Oper

Castor et Pollux

Salzburger Festspiele

Premiere: 27.8.2025 Tragédie en musique in einem Prolog und fünf Akten (Erste Fassung 1737) Libretto von Pierre-Joseph Bernard Konzertante Aufführung Jean-Philippe Rameau war bereits 50 Jahre alt, als er 1733 mit Hippolyte et Aricie seine erste Oper schrieb. Obwohl Jean-Baptiste Lully — dessen Name damals für die französische Oper schlechthin stand — bereits 1687 gestorben war, entbrannte nach der Uraufführung ein erbitterter Streit zwischen den konservativen „Lullisten“ und den Bewunderern von Rameaus gewagtem modernen Stil. Während die einen seine Harmonik als zu dissonant und seinen Bruch mit der Tradition als skandalös empfanden, begeisterten sich die anderen für die Neuerungen, die aus Rameaus langjähriger Beschäftigung mit musiktheoretischen und -ästhetischen Fragen hervorgingen. Auf Les Indes galantes von 1735 folgte zwei Jahre später die Tragédie en musique Castor et Pollux — Rameaus dritte vollendete Oper. Die Uraufführung an der Pariser Académie Royale de Musique wurde schon des Sujets wegen mit Spannung erwartet, war die mythische Geschichte der beiden Dioskuren zu jener Zeit doch eine Neuheit auf der Musiktheaterbühne. Rameau hat den Stoff vermutlich selbst dem Schriftsteller Pierre-Joseph Bernard vorgeschlagen, der mit Castor et Pollux sein erstes Libretto verfasste: Die Brüder, der sterbliche Castor und der unsterbliche Pollux, sind beide in Télaïre verliebt, die selbst Castor den Vorzug gibt. Noch bevor die Opernhandlung einsetzt, wird Castor jedoch ermordet. Pollux erhält von seinem Vater Jupiter die Erlaubnis, seinen Bruder aus der Unterwelt zu befreien, um ihn wieder mit Télaïre zu vereinen, doch müsste er dafür mit seiner eigenen Unsterblichkeit bezahlen. Für Pollux beginnt nun ein innerer Kampf zwischen seiner brüderlichen Loyalität zu Castor und seinem Verlangen nach Télaïre. Rameau vereinte in Castor et Pollux alle kompositorischen Elemente, für die er gleichermaßen berühmt und berüchtigt war, wobei er in den zum Teil hochvirtuosen Gesangslinien ebenso wie in der reichen Harmonik und den differenzierten Klangfarben die jeweilige dramatische Situation eindrucksvoll musikalisch vermittelte. Utopia Orchester Musikalische Leitung: Teodor Currentzis Utopia Chor Vitaly Polonsky, Choreinstudierung Besetzung: Jeanine De Bique, Télaïre Stéphanie d’Oustrac, Phébé Reinoud van Mechelen, Castor Marc Mauillon, Pollux Claire Antoine, Minerve/Eine Dienerin der Hébé Natalia Smirnova, Vénus/Ein seliger Schatten Laurence Kilsby, L´Amour/Der Oberpriester Jupiters/Ein Athlet In französischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln
Aufführungen | Theater

Philipp Hochmair – Jedermann Reloaded

Salzkammergut Festwochen Gmunden

Philipp Hochmair Tobias Herzz Hallbauer | Gitarre/Sampler Jörg Schittkowski | Synthesizer, Electronics, Klangmaschine, Theremin, Stahlwerk Rajko Gohlke | Electronics, Drummachine Bastien Eifler | Drums & Trash Hanns Clasen | Sound- und Lichtdesign Lucia Flaig | Video Kunst Philipp Hochmair – Jedermann Reloaded Eine sprachlich, musikalisch, elektronisch subversive Achterbahnfahrt durch die Abgründe eines Klassikers – respektlos und doch voller Liebe zu erhabener Dichtung und eigener Wahrheit, nennt es „Theater Heute“. Wenn Philipp Hochmair sein gefeiertes Projekt Jedermann Reloaded auf die Bühne bringt, bleibt keine Seele unberührt. Beim Festwochen Open Air 2025 verwandelt er den Toscanapark Gmunden wieder in eine Bühne für ein elektrisierendes Literaturerlebnis, das Hugo von Hofmannsthals Klassiker auf völlig neue Weise interpretiert: „Ich habe es gewagt, Rockmusik und dieses Stück miteinander zu verbinden. Der Zuschauer erlebt also gleichzeitig ein Rockkonzert und einen sehr ernsthaften Theaterabend,“ erzählt der Künstler. Unterstützt wird Hochmair von den herausragenden Bandmitgliedern: Tobias Herzz Hallbauer (Gitarren/Sampler), Jörg Schittkowski (Synthesizer, Electronics, Theremin), Bastien Eifler (Drums & Trash), Rajko Gohlke (Electronics, Drummachine). Ein Rockstar als Jedermann In einem leidenschaftlichen Kraftakt schlüpft Philipp Hochmair in alle Rollen des Stücks und macht aus dem 100 Jahre alten Mysterienspiel eine mitreißende, zeitgemäße Performance. Begleitet von seiner Band „Die Elektrohand Gottes“ – mit Gitarrenriffs, experimentellen Sounds und hypnotischen Beats – wird der Jedermann zum Rockstar unserer Zeit: Ein Getriebener, der zwischen Gier, Rausch und der existenziellen Frage, „Was bleibt von meinem Leben?“, alles riskiert. „Philipp Hochmair macht aus Jedermann ein Erlebnis, das man so schnell nicht vergisst. Seine Energie, seine Hingabe und die unvergleichliche Intensität, mit der er das Stück spielt, sind einfach überwältigend. Es ist uns eine große Freude, unseren langjährigen Festwochenfreund auch in diesem Jahr bei uns begrüßen zu dürfen – und das im zweiten Jahr seines Engagements als Jedermann in Salzburg,“ sagt Karin Bergmann, Leiterin Literatur und Theater der Salzkammergut Festwochen Gmunden. Verpassen Sie nicht diesen außergewöhnlichen Abend, an dem Klassik, Rock und Theater zu einer unvergesslichen Performance verschmelzen – in der malerischen Kulisse des Traunsees! „eine sprachlich, musikalisch, elektronisch subversive Achterbahnfahrt durch die Abgründe eines Klassikers – respektlos und doch voller Liebe zu erhabener Dichtung und durchaus eigener Wahrheit.” Theater Heute „Der energetische Schauspieler fährt innerlich (und stimmlich) Achterbahn und macht aus dem alten Mysterienspiel einen mitreißenden Psychotrip als One-Man-Show (...) Hochmair lebt ihn, diesen Jedermann." Süddeutsche Zeitung
Aufführungen | Theater

Alex Kristan – 50 Shades of Schmäh

Salzkammergut Festwochen Gmunden

Alex Kristan ist 50 geworden, oder wie der Optimist in ihm sagt: „Das erste Lebensdrittel ist vorbei.“ Und weil der Tatendurst trotzdem immer noch größer ist als der nächtliche Harndrang, nimmt er diesen „Runden“ zum Anlass, um sich mit einem neuen Soloprogramm zu beschenken. Denn wenn man sich von heute auf morgen plötzlich in der Zielgruppe 50+ als sogenannter Best Ager wiederfindet, hilft nur Schmäh gegen das Blei in den Beinen und das Silber in den Haaren. Angeblich soll ja 50 das neue 30 sein. Oder gilt das nur fürs Ortsgebiet? Auch wenn 22 Uhr das neue Mitternacht wird, muss die neue Hautpflege noch lange nicht Voltaren statt Nivea heißen. Es zahlt sich immer noch aus Haltbarmilch zu kaufen. Diätpläne schmieden, Haare färben, Zähne bleichen, das alles ist etwas für Pop-Up-Senioren, die Kraut-Funding als Entgiftungskur sehen. Sein Motto hingegen ist: „vernünftig ist wie tot, nur vorher“ und lässt die Rotzpipn wiederauferstehen. Genau an dem Scheitelpunkt im Leben, der sich zwischen gepflegt aussehen und gepflegt werden abspielt, stellt man sich die Frage, ob früher wirklich alles besser war und wenn ja, warum nicht? Kurzsichtigkeit wird jetzt mit Weitblick kompensiert und solange die Torte noch teurer ist als die Kerzen drauf, ist man ohnehin nicht alt. Alex Kristans Alter Egos begleiten ihn natürlich auch auf dieser Reise und stehen mit Rat und Tat zur Seite, wenn es um die wirklich wesentlichen Fragen im Leben eines Mannes im angeblich besten Alter geht. Es ist ein Start-Up in einen neuen Lebensabschnitt, in dem "Gicht oder Wahrheit" gespielt wird. Und die Wahrheit ist, er ist 42 netto, also exklusive Mehrwertsteuer. Älterwerden ist etwas sehr Schönes. Vor allem in Anbetracht der Alternative.
Aufführungen | Theater

Egal wohin, Baby

Salzkammergut Festwochen Gmunden

Christoph Ransmayr | Lesung Wolfgang Muthspiel | Gitarre Ransmayr: Egal wohin, Baby "Egal wohin, Baby" ist der Titel einer Sammlung von siebzig Prosatexten – Mikroromanen – die Christoph Ransmayr zu einem Bilderbogen von siebzig seiner Fotografien verfasst hat. Diese Fotos – optische Notizen, gesammelt auf seinen Reisen der letzten Jahrzehnte – werden zu seinem Vortrag einer Textauswahl auf große Leinwand projiziert. Hier macht einer sein Leben in Schnappschüssen sichtbar, überfliegt dabei erzählend Kontinente und Zeiten und bringt die Flüchtigkeit des Augenblicks manchmal ironisch, aber immer mit Leidenschaft und virtuos zur Sprache. Jeder Text zum Bild wird zu einem in sich geschlossenen, ausgefeilten Stück Prosa: zu einem Mikroroman. Denn von Expeditionen in die Augenblicke der Wirklichkeit und in die Grenzenlosigkeit der Phantasie kann auch in wenigen Zeilen erzählt werden – zumal, wenn es mit der Beobachtungsgabe und der Formulierungskunst des welterfahrenen Christoph Ransmayr geschieht. Der Gitarrenvirtuose und Komponist Wolfgang Muthspiel begleitet Texte und Bilder mit Variationen der Arie Lascia ch‘io pianga von Georg Friedrich Händel.
Aufführungen | Kabarett

Maria Happel und Michael Niavarani

Salzkammergut Festwochen Gmunden

Wenn Burgtheater auf Kabarett Simpl trifft, kann schon die ein oder andere verbale Torte im Gesicht des Gegenübers landen. Jahrzehntelang haben sich Kammerschauspielerin Maria Happel, Publikumsliebling und Ensemblemitglied des Burgtheaters, und Michael Niavarani, Publikumsliebling, Kabarettist, Autor und Theaterdirektor, Tür an Tür im dritten Bezirk in Wien höflich und freundlich ignoriert. Jetzt ist es endlich soweit – es kommt zum gemeinschaftlichen „Outing“ von Komiker und ernsthafter Schauspielerin – oder ist alles ganz anders …? An diesem Abend zwischen Unterhaltung und der sogenannten Hochkultur werden viele Themen berührt und der Versuch unternommen, die Frage zu klären, wie ernst Unterhaltung sein darf und wie unterhaltsam Hochkultur. Kann Maria Happel einen Witz erzählen und Michael Niavarani einmal etwas Ernsthaftes sagen? Wie lange dauert es, bis die Burgschauspielerin in einem Sketch den ersten Lacher bekommt? Und wie viele Zeilen aus Hamlets Monolog kann der Kabarettist sprechen, ohne zu lachen? Ein Abend zwischen Goethe und Peter Alexander, zwischen Schmunzeln und Besinnlichkeit. Vielleicht vermag die Kunst uns doch immer wieder hinwegzutrösten über Teuerung, Krankheit, Politik und Schlimmeres – zumindest für einen Abend. Karin Bergmann wird als Sekundantin versuchen, den beiden wunderbaren „Rampensäuen“ gleiche Konditionen zu ermöglichen. Lassen Sie sich das nicht entgehen! Eine Kooperation mit dem Tourismusverband Bad Ischl.
Aufführungen | Figurentheater

F. Zawrel – Erbbiologisch und sozial minderwertig

Salzkammergut Festwochen Gmunden

Nikolaus Habjan | Buch, Puppenbau und -spiel Regie | Simon Meusburger Der Vater ist Alkoholiker, die Mutter nicht fähig, die Familie zu ernähren: Als Kind landet Friedrich Zawrel (1929–2015) erst im Heim, schließlich am Spiegelgrund, jener berüchtigten „Kinderfachabteilung“ des Deutschen Reiches in Wien, in der Euthanasiemorde an kranken und behinderten Kindern begangen wurden. Vom Anstaltsarzt Dr. Gross wird Zawrel als „erbbiologisch und sozial minderwertig“ eingestuft und mit medizinischen Experimenten gequält, doch kann er eines Tages mit der Hilfe einer Krankenschwester aus der Anstalt entkommen. Als Halbwüchsiger lebt er auf der Straße, im Nachkriegswien folgt eine Karriere als Kleinkrimineller. Diese bringt ihn wiederholt ins Gefängnis und immer wieder vor psychiatrische Gutachter, bis er eines Tages seinem ehemaligen Peiniger gegenübersitzt, der ihm einen Deal anbieten will. Doch Zawrel lässt sich nicht bestechen. Allerdings kommt es erst im Jahr 2000 zu einem Gerichtsverfahren, das wegen einer angeblichen Demenz von Gross eingestellt wird. Dieser kann sich an nichts mehr erinnern … Der Figurentheaterabend von Nikolaus Habjan und Simon Meusburger entstand auf der Basis von erlebter Geschichte: Friedrich Zawrel, dieser so liebenswerte, humorvolle und resiliente Wiener, erzählte als hochbetagter Zeitzeuge bis zu seinem Tod im Jahr 2015 vor Schulklassen und bei anderen Gelegenheiten, was ihm widerfahren ist. Das Ergebnis ist ein dramatisches, berührendes und theatral packendes Stück Erinnerungsarbeit. Die Inszenierung erhielt den Nestroy-Preis 2012 in der Kategorie Beste Off-Produktion und wurde bislang von Nikolaus Habjan mehr als sechshundertmal gespielt: Friedrich Zawrel, er lebt weiter in der Klappmaulpuppe von Nikolaus Habjan. Gastspiel Schubert Theater Wien
Aufführungen | Film

Andreas Gruber:
Hasenjagd – Vor lauter Feigheit gibt es kein Erbarmen

Literaturhaus Salzburg

Vor 30 Jahren drehte Andreas Gruber den Film „Hasenjagd – Vor lauter Feigheit gibt es kein Erbarmen“ und brachte damit eine dunkle Episode der österreichischen Geschichte auf die Kinoleinwand. Im Februar 1945 gelang 150 von 500 sowjetischen Häftlingen, die unter menschenunwürdigen Bedingungen auf ihre Hinrichtung warteten, die Flucht aus dem Konzentrationslager Mauthausen. In der Nacht zum 3. Februar 1945 erteilte der Lagerkommandant Ziereis der Bevölkerung der umliegenden Dörfer den Befehl, sich an der Suche nach den Flüchtlingen zu beteiligen. Es brach eine Menschenjagd aus, die Entkommenen wurden auf brutale Weise getötet. Einige wenige wurden von Einheimischen versteckt. Nach authentischen Fakten zeigt Andreas Gruber Bilder, die das Grauen augenscheinlich machen: ein Film, der nichts an seiner Wirkmächtigkeit verloren hat und – wie auch Elisabeth Reicharts Roman „Februarschatten“ (1984) – ein wichtiges Beispiel für die künstlerische Auseinandersetzung mit den Verbrechen der NS-Zeit ist. Der Regisseur Andreas Gruber ist zu Gast. AT 1994; Regie und Drehbuch: Andreas Gruber; Kamera: Hermann Dunzendorfer; mit: Oliver Broumis, Merab Ninidze, Rainer Egger, Elfriede Irrall u.a.; dt. OF, 106 Min. Eintritt Kartenpreise DAS KINO Veranstalter: Das Kino, Literaturforum Leselampe
Aufführungen | Film

Dietrich Garstka:
Das schweigende Klassenzimmer

Literaturhaus Salzburg

Im Jahr 1956 beschließt eine Schulklasse in Stalinstadt (DDR), eine Schweigeminute für die Opfer des Ungarn-Aufstandes abzuhalten, nachdem zwei Mitschüler bei einem Ausflug nach Westdeutschland „Wochenschau“-Bilder von den dortigen Ereignissen gesehen haben. Sowohl Lehrkörper als auch Eltern versuchen die solidarischen Schüler:innen mit immer schärferen Restriktionen von ihrer Überzeugung abzubringen. Dietrich Garstka erinnert sich im Buch „Das schweigende Klassenzimmer“ an die realen Ereignisse, an denen er selbst beteiligt war, und führt Interviews und Dokumente zusammen, die Lars Kraume als Grundlage für sein Drehbuch dienten. Es werden immer noch wichtige Fragen aufgeworfen, etwa nach den politischen und sozialen Konstellationen in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg und den Erfahrungen, die die Menschen innerhalb der beiden politischen Systeme gemacht haben. Einführung: Manfred Mittermayer DE 2018; Regie und Drehbuch: Lars Kraume; Kamera: Jens Harant; mit: Leonard Scheicher, Tom Gramenz, Lena Eintritt Kartenpreise DAS KINO, Mitglieder Leselampe und DAS KINO frei Veranstalter: Das Kino, Literaturforum Leselampe
Aufführungen | Film

John Boyne:
The Boy in the Striped Pyjamas

Literaturhaus Salzburg

In seinem Roman „The Boy in the Striped Pyjamas“ erzählt John Boyne die Geschichte von Bruno, dem achtjährigen Sohn des Lagerkommandanten eines Konzentrationslagers, und dem gleichaltrigen Shmuel, der im Lager inhaftiert ist. Am Maschendrahtzaun schließen die beiden Freundschaft, Shmuel erklärt Bruno, was im Lager wirklich passiert und von Brunos Vater verheimlicht wird. Gemeinsam machen sich die beiden im Lager auf die Suche nach dem verschwundenen Vater Shmuels. Eine erfundene Geschichte, die aber aus der Perspektive des Kindes die schreckliche historische Realität in Erinnerung ruft. In seiner Adaption des Romans von John Boyne setzt Mark Herman seine Protagonisten behutsam, unspektakulär und aufmerksam in Szene – und liefert einen vielbeachteten Beitrag zur Diskussion über die Darstellung des Holocaust im Film. Eintritt Kartenpreise DAS KINO, Mitglieder Leselampe und DAS KINO frei Veranstalter: Das Kino, Literaturforum Leselampe
Aufführungen | Oper

Andrea Chénier

Salzburger Festspiele

Dramma di ambiente storico in vier Bildern (1896) Libretto von Luigi Illica Konzertante Aufführung Jean-Philippe Rameau war bereits 50 Jahre alt, als er 1733 mit Hippolyte et Aricie seine erste Oper schrieb. Obwohl Jean-Baptiste Lully — dessen Name damals für die französische Oper schlechthin stand — bereits 1687 gestorben war, entbrannte nach der Uraufführung ein erbitterter Streit zwischen den konservativen „Lullisten“ und den Bewunderern von Rameaus gewagtem modernen Stil. Während die einen seine Harmonik als zu dissonant und seinen Bruch mit der Tradition als skandalös empfanden, begeisterten sich die anderen für die Neuerungen, die aus Rameaus langjähriger Beschäftigung mit musik­theoretischen und -ästhetischen Fragen hervor­gingen. Auf Les Indes galantes von 1735 folgte zwei Jahre später die Tragédie en musique Castor et Pollux — Rameaus dritte vollendete Oper. Die Uraufführung an der Pariser Académie Royale de Musique wurde schon des Sujets wegen mit Spannung erwartet, war die mythische Geschichte der beiden Dioskuren zu jener Zeit doch eine Neuheit auf der Musiktheaterbühne. Rameau hat den Stoff vermutlich selbst dem Schriftsteller Pierre-Joseph Bernard vorgeschlagen, der mit Castor et Pollux sein erstes Libretto verfasste: Die Brüder, der sterbliche Castor und der unsterbliche Pollux, sind beide in Télaïre verliebt, die selbst Castor den Vorzug gibt. Noch bevor die Opernhandlung einsetzt, wird Castor jedoch er­mordet. Pollux erhält von seinem Vater Jupiter die Erlaubnis, seinen Bruder aus der Unterwelt zu befreien, um ihn wieder mit Télaïre zu vereinen, doch müsste er dafür mit seiner eigenen Unsterblichkeit bezahlen. Für Pollux beginnt nun ein innerer Kampf zwischen seiner brüderlichen Loyalität zu Castor und seinem Verlangen nach Télaïre. Rameau vereinte in Castor et Pollux alle kompositorischen Elemente, für die er gleichermaßen berühmt und berüchtigt war, wobei er in den zum Teil hochvirtuosen Gesangslinien ebenso wie in der reichen Harmonik und den differenzierten Klangfarben die jeweilige dramatische Situation eindrucksvoll musikalisch vermittelte. Musikalische Leitung: Marco Armiliato Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor, Alan Woodbridge, Mozarteumorchester Salzburg Besetzung: Piotr Beczala, Andrea Chénier Luca Salsi, Carlo Gérard Elena Stikhina, Maddalena di Coigny Seray Pinar, Bersi Noa Beinart, Madelon Armand Rabot, Roucher sowie Teilnehmende des Young Singers Project In italienischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln
Aufführungen | Oper

Zaide oder Der Weg des Lichts

Salzburger Festspiele

Premiere: 17.8.2025 Semiszenische Neuproduktion Ein Abend mit Auszügen aus ZAIDE Singspiel in zwei Akten KV 344 (Fragment, entstanden 1779/80) DAVIDE PENITENTE Kantate für Soli, Chor und Orchester KV 469 (1785) THAMOS, KÖNIG IN ÄGYPTEN Bühnenmusik zum heroischen Drama von Tobias Philipp von Gebler KV 345 (1773/1780) und weiteren Werken aus der Zeit 1779—1785 "Dir war dieser Herr des Lebens, War der Tod nicht fürchterlich, Und er schwenkete vergebens Seinen Wurfspieß wider dich: Weil im traurigen Gefilde Hoffnung dir zur Seite ging Und mit diamantnem Schilde Über deinem Haupte hing." An die Freude (Auszug) , Gedicht von Johann Peter Uz (1720—1796), das Mozart als 12-Jähriger vertonte Die Arbeit an Zaide im Jahr 1780 markierte einen entscheidenden Wendepunkt in Mozarts Laufbahn. Das unvollendet gebliebene Singspiel — eine spontane Komposition für den Wiener Hof des „aufgeklärten Despoten“ Joseph II. — gewinnt seine Strahlkraft aus seiner humanistischen Thematik. Zum ersten Mal schuf Mozart einen musikalischen und dramaturgischen Resonanzraum für das, was nach seiner Überzeugung gut und richtig war: für den Kampf gegen Tyrannei, für die Macht der wahren Liebe und allen voran für das unabdingbare Streben nach Freiheit. Zaide nutzt eine klischeehafte „Rettungshandlung“ und die zeittypischen Turquerien des Rokoko als Ausgangspunkte, transzendiert sie aber durch den psychologischen Tiefgang der Figurenzeichnung und die außergewöhnliche musikdramatische Intensität. Nachdem Mozart 1777 erstmals aus Salzburg hinauskam, ereigneten sich in seinem Leben einschneidende Veränderungen: Es kam zur wegweisenden Begegnung mit Haydn, der sein Freund wurde, und Mozart lernte München und das Mannheimer Orchester kennen; hinzu kamen die unglückliche Liebe zu Aloysia Weber, ein enttäuschender Aufenthalt in Paris und der tragische Tod seiner Mutter. Mozart kehrte in seine Geburtsstadt zurück und trat schweren Herzens wieder in die Dienste des Fürsterzbischofs Colloredo. Doch er hatte sich als Mensch tiefgreifend verändert. Die großen Vokalwerke, die er nun komponierte, sind vom Geist der Aufklärung sowie von den philosophischen und ästhetischen Strömungen durchdrungen, die Europa gerade bewegten. Zaide bildete den Beginn dieser neuen Ästhetik, die sich jedem Zugeständnis an den galanten Geschmack verweigerte und stattdessen die Wahrheit der menschlichen Seele ergründete. Dass sich Mozart schrittweise von jeglicher Bevormundung befreite — er verließ Colloredo, Salzburg, seinen Vater — und in der Folge dramatische und geistliche Meisterwerke wie Idomeneo (1780—1781), Die Entführung aus dem Serail (1781—1782) und die Große Messe in c-Moll (1782—1783) hervorbrachte, hängt direkt und unübersehbar miteinander zusammen. Was bewirkt, dass wir uns verändern? Was macht uns zu besseren Menschen? Diese Fragen trieben Europa im Zeitalter der Aufklärung um. Mozart, der bald in die Wiener Freimaurerloge „Zur Wohltätigkeit“ aufgenommen wurde, machte sich diese Fragen zu eigen, indem er in seinen Werken eine Vision des Menschseins entwarf, die — ohne je alle Zweifel hinter sich zu lassen — der Liebe und der Vergebung zum Sieg verhilft. In Libertà! Mozart & l’Opéra (2019) unternahmen Pygmalion und Raphaël Pichon eine Erkundungsreise in das musikalisch-dramaturgische Versuchslabor, aus dem schließlich die großen Meisterwerke der Mozart / Da Ponte-Trilogie hervorgingen. In der neuen Produktion für die Salzburger Festspiele widmen sie sich mit Zaide und der Kantate Davide penitente (der die c-Moll-Messe zugrunde liegt) zwei selten aufgeführten Werken und vereinen diese mit anderen Kostbarkeiten aus Mozarts Œuvre zu einem humanistischen Fresko, in dem das Individuum und die Gemeinschaft in Dialog treten und der Kampf zwischen Schatten und Licht jeden Augenblick von Neuem in Szene gesetzt wird. Konzeption und Musikalische Leitung: Raphaël Pichon Licht: Bertrand Couderc Dramaturgie: Eddy Garaudel Pygmalion Choir & Orchestra Besetzung: Sabine Devieilhe, Zaide Lea Desandre, Persada Julian Prégardien, Gomatz Daniel Behle, Soliman Johannes Martin Kränzle, Allazim In deutscher Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln
Aufführungen | Oper

Mitridate, re di Ponto

Salzburger Festspiele

Opera seria in drei Akten KV 87 (1770) Libretto von Vittorio Amedeo Cigna-Santi nach Jean Racines Tragödie Mithridate in der italienischen Übersetzung von Giuseppe Parini Semiszenische Aufführung Seit seiner frühen Kindheit brannte Mozart für das Theater. Er hatte bereits vier Bühnenwerke komponiert, als er 1770 aus Mailand den Auftrag für seine erste Opera seria erhielt — damals noch die führende und prestigeträchtigste theatralische Gattung. Die Titelfigur der Oper, deren Libretto auf einer Tragödie des großen französischen Klassizisten Jean Racine basiert, ist der historische Mithridates VI. Eupator, König von Pontos, der im 1. Jahrhundert v. Chr. gegen die Römer lange Kriege um die Vorherrschaft in Kleinasien und Griechenland führte. Vor seiner Rückkehr in die Heimat lässt Mozarts Mitridate das Gerücht verbreiten, er sei in der jüngsten Schlacht gefallen. Das Experiment, mit dem er die Loyalität seiner beiden Söhne auf die Probe stellen will, fügt ihm nach der militärischen Niederlage eine weitere Demütigung zu: Er muss feststellen, dass Farnace mit den Römern paktiert und seinem Bruder Sifare die Liebe Aspasias streitig machen will — jener Frau, mit der sich Mitridate selbst vor seinem Feldzug verlobt hatte. Der König verliert die Fassung, verwandelt sich in einen rasenden Tyrannen und schreckt nicht vor dem Entschluss zurück, seine Söhne und Aspasia hinrichten zu lassen. Auf dem Weg zum „lieto fine“, zur finalen Verzeihung und Versöhnung, wie sie das Ethos der Opera seria forderte, durchmessen die Figuren eine zerklüftete emotionale Landschaft: zwischen Verzweiflung, Rachewut und edlem Verzicht, zwischen Abschieden im Angesicht des Todes, Liebesbeteuerungen und Hoffnungen auf jenseitiges Glück. Im Reigen der Arien, die die unterschiedlichen Affekte musikalisch verdeutlichen, beeindruckt, welch feines musikdramatisches Gespür der 14-jährige Komponist bereits entwickelt hatte. Besonderes Interesse brachte er jenen Szenen entgegen, die Figuren in existenziellen Grenzsituationen zeigen: Mozart enthüllt uns ihr Innenleben so unmittelbar und eindringlich, dass er immer wieder den Rahmen der traditionellen Opera seria — den Charakter des höfischen Festtheaters, mit dem diese Gattung seit jeher verbunden war — überschreitet. Musikalische Leitung: Adam Fischer Szenische Einrichtung: Birgit Kajtna-Wönig Mozarteumorchester Salzburg Besetzung: Pene Pati, Mitridate Sara Blanch, Aspasia Elsa Dreisig, Sifare Paul-Antoine Bénos-Djian, Farnace Julie Roset, Ismene In italienischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln
Aufführungen | Oper

Maria Stuarda

Salzburger Festspiele

Premiere: 1.8.2025 Tragedia lirica in drei Akten (1835) Libretto von Giuseppe Bardari nach dem Trauerspiel Maria Stuart von Friedrich Schiller in der italienischen Übersetzung von Andrea Maffei Neuinszenierung Maria Stuart, Königin von Schottland — ihr Name wird wohl für die Ewigkeit mit einem anderen Namen verbunden sein: Elisabeth I. von England. Maria und Elisabeth: zwei Königinnen, zwei Gegenspielerinnen, zwei Frauen in der Mitte des 16. Jahrhunderts. Als „sister and cousin“ sind sie einander, entgegen der literarischen Fiktion, niemals leibhaftig begegnet. Was sie auf ewig aneinander bindet, ist ein schrecklicher Fakt: Eine von ihnen muss sterben. Die tödliche Feindschaft entzündet sich an dieser einen Frage: Wem gehört der englische Thron? Elisabeth? Ja, eindeutig, sagen die englischen Kronjuristen. Und gleichermaßen nein: Für die katholische Welt ist sie als Bastard des Thrones unwürdig — einzig Maria könne ihn für sich beanspruchen. Beide Frauen hätten — so ganz für sich — in dieser Zwangslage wohl lieber einen halben und falschen Frieden gehalten. Aber das scheint unmöglich: Indem Maria wie ein gefährlicher Virus in das System Elisabeth eindringt, gerät das fragile Gleichgewicht ins Wanken. Die Konstellation der historischen Stunde erlaubt ihnen kein Nebeneinandersein: 1587 wird Maria hingerichtet. Elisabeth I. hat ihrer mehr als 40 Jahre währenden Regierungszeit ihren Namen aufgeprägt: das Elisabethanische Zeitalter. Sie wehrt sich zeitlebens erfolgreich dagegen, ihre Macht mit einem Ehemann zu teilen und wird zur berühmten „Virgin Queen“. Maria Stuart geht fast wie ein Gespenst durch die Geschichte der Macht, und man würde sich vermutlich kaum an sie erinnern, hätte sie nicht dieses singuläre Schicksal. Sie hat kein gewaltiges historisches oder kulturelles Erbe hinterlassen — und dennoch eine unvergleichliche Attraktion auf die Nachwelt ausgeübt. Ihr Aufstieg zur Macht erfolgt raketenhaft: mit sechs Tagen Königin von Schottland, mit sechs Jahren Verlobte und mit 17 schließlich Königin von Frankreich. Wie im Traum scheint ihr alles zuzufliegen. Ihre Männer, ihre Ehen, ihr Kind. Und genauso schnell ist alles verblüht, verwelkt, vorüber, und sie erwacht enttäuscht und verstört. In diesem unübersichtlichen Zustand erreicht sie, um Hilfe bittend, England, wo bereits eine andere seit zehn Jahren den Thron innehat. Maria und Elisabeth verkörpern, wie es Stefan Zweig formuliert, eine „große welthistorische Antithese […] bis in die letzte Einzelheit kontrapunktisch [durchgeführt]“. Friedrich Schiller hat mit seinem Trauerspiel von 1800 das spätere Bild dieser zwei Frauen entscheidend geprägt und eine Geschichte von politischer Intrige zum einen und der Gewinnung von Freiheit und Autonomie auf der anderen Seite erzählt. Diese Komplexität ist in Donizettis Oper von 1835 nicht zu finden. Hier steht das Gefühlsleben der beiden Frauen im Zentrum, zusammengedrängt auf die letzten 24 Stunden vor der Unterzeichnung des Todesurteils und der Hinrichtung Marias. In dieser kurzen Zeitspanne erleben sie alle nur denkbaren emotionalen Extreme: das Glücksgefühl des Triumphs, den depressiven Zusammenbruch, peinigende Selbstbefragung, lockende Aussicht auf Befreiung und lähmende Todesangst. Elisabeth und Maria werden beide gleichermaßen beobachtet, beurteilt, manipuliert und kontrolliert. Als Repräsentantinnen der Staatsmacht sind sie mit den „zwei Körpern“ des Monarchen ausgestattet: ihrem „natürlichen Körper“, der sterblich und unvollkommen ist, und ihrem „politischen Körper“, der vollkommen ist und niemals stirbt. Dieser Körper ist das grell ausgeleuchtete stählerne Gehäuse des gewaltigen Machtapparats, in dem beide Frauen festgezurrt sind — hart genug, um dem Menschen das zarte Träumen endgültig auszutreiben und jedes imaginäre Glück zu zerstören. Und so sind Maria und Elisabeth — in ihrer jeweiligen Einsamkeit — ganz gleich. Sie bewegen sich umeinander, fast gänzlich ausbalanciert, einem Tanz gleich. Je länger sie tanzen, umso näher kommen die beiden Königinnen einander, um vielleicht für einen winzigen Moment jenseits der Macht zu denen zu werden, die sie sind: fragile Kreaturen, die einen Halt in der Welt suchen. Musikalische Leitung: Antonello Manacorda Regie und Bühne: Ulrich Rasche Kostüme: Sara Schwartz Video: Florian Hetz Licht: Gerrit Jurda Choreografie: Paul Blackman Dramaturgie: Yvonne Gebauer Mitarbeit Regie: Dennis Krauß Tänzer und Tänzerinnen von SEAD — Salzburg Experimental Academy of Dance Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor Alan Woodbridge Choreinstudierung Angelika Prokopp Sommerakademie der Wiener Philharmoniker Wiener Philharmoniker Besetzung: Kate Lindsey, Elisabetta Lisette Oropesa, Maria Stuarda Bekhzod Davronov, Roberto, Graf Leicester Aleksei Kulagin, Giorgio Talbot Thomas Lehman, Lord Guglielmo Cecil In italienischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln
Aufführungen | Oper

Macbeth

Salzburger Festspiele

Tre atti senza nome (2002) Libretto von Salvatore Sciarrino nach der Tragödie Macbeth von William Shakespeare Konzertante Aufführung Zwei zentnerschwere Vorbilder hängen wie Damoklesschwerter über dem Stoff, zur Warnung an alle, die sich mit ihm einlassen wollen: Shakespeare und Verdi. Doch Salvatore Sciarrino umgeht die Falle des Klassizismus und erzählt die Geschichte noch einmal auf unverbrauchte und überaus fesselnde Weise. Bei der Ausarbeitung des Librettos hielt sich Sciarrino eng an das Original von Shakespeare, jedoch komprimiert er es auf ein Minimum. Das Porträt des mörderischen Emporkömmlings und seiner Frau Lady Macbeth in Verdis Vierakter Macbeth, uraufgeführt 1847 in Florenz und eines seiner schwärzesten Musikdramen, leuchtet die Abgründe der Seele mit einer Eindringlichkeit aus, die jede weitere Deutung überflüssig zu machen scheint. Es zeugt deshalb von Mut, wenn anderthalb Jahrhunderte später ein Komponist wie Salvatore Sciarrino sich erneut auf Shakespeares Drama einlässt, umso mehr, als seine sparsame, die leisen Register bevorzugende Musiksprache das pure Gegenmodell zu Verdis dramatischer Wucht darstellt. Doch zeigt sich bei dem 2002 in Schwetzingen uraufgeführten Macbeth von Sciarrino: Gerade in der Zurücknahme der großen rhetorischen Geste auf den intimen Kammerton liegen ungeahnte Möglichkeiten für eine neue Sicht auf das monströse Geschehen. Zwar wird wie bei Verdi auch hier die Frage nach den Wurzeln des Bösen nicht endgültig beantwortet, denn es entzieht sich letztlich dem rationalen Verstehen. Aber wie es die Menschen befällt und sie bei der Befriedigung ihrer Machtgier zu ruchlosen Verbrechern macht, stellt Sciarrinos Werk mit schlagender Deutlichkeit dar. Der Kampfplatz ist nicht das Schlachtfeld oder die Mordkammer, sondern das Innere der beiden Hauptfiguren. Besiegt werden sie nicht durch äußere Feinde, sondern durch ihr Gewissen. Sein Schuldgeflüster hat die Kraft der Posaunen von Jericho und bringt die Mauern des verbrecherischen Egos schließlich zum Einsturz. Doch das Böse ist damit nicht aus der Welt. Musikalische Leitung: Vimbayi Kaziboni Cantando Admont, Cordula Bürgi, Klangforum Wien Besetzung: Cody Quattlebaum, Macbeth Alice Rossi, Lady Macbeth Leonardo Cortellazzi, Banquo/Der Geist/Ein Diener Iris van Wijnen, Ein Sergeant/Fleance/Ein Auftragsmörder/Ein Wachsoldat Davide Giangregorio, Duncan/Ein Höfling/Macduff In italienischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln
Aufführungen | Oper

Kassandra

Salzburger Festspiele

Monodrama für Sprecherin und Instrumentalensemble mit Elektronik (1994) Text nach der Erzählung Kassandra von Christa Wolf Konzertante Aufführung Nach dem Fall Trojas wird Prinzessin Kassandra von Agamemnon nach Mykene verschleppt, wo sie der sichere Tod erwartet. In einem letzten seelischen Kraftakt ruft sie sich noch einmal die vergangenen Geschehnisse und Empfindungen in Erinnerung, analysiert und deutet sie: den Raub Helenas, der den Krieg auslöste, ihre eigene Liebe zu Aeneas und ihren Hass auf „Achill das Vieh“, die immer autoritärer werdende Atmosphäre innerhalb Trojas angesichts der Bedrohung von außen und schließlich den Tod ihrer Familie und das Ende ihrer Heimatstadt. Die Priesterin und Seherin Kassandra hatte die Katastrophen vorausgeahnt, doch niemand wollte ihr Glauben schenken. Als der Schweizer Komponist Michael Jarrell auf die Erzählung Kassandra (1983) der ostdeutschen Autorin Christa Wolf stieß, plante er zunächst, daraus eine Kammeroper mit mehreren Rollen zu gestalten. Beeindruckt von der Vielschichtigkeit und Intensität des Textes, kam er jedoch zu dem Schluss, dass er zu der „äußersten Einsamkeit einer Frau, die auf den Tod wartet“, zurückkehren musste und dass es „lächerlich“ sei, sie singen zu lassen. So entstand ein Monodrama, das als „Oper ohne Gesang“ mit den letzten Konventionen der Gattung bricht. Für Kassandra bleibt nur noch die Vergangenheit: „Es gibt keinen Grund mehr zu singen.“ Der Text wird musikalisch ausgedeutet, wobei die Komposition nie illustrativ ist; vielmehr verschmelzen gesprochenes Wort und Musik zu einem gemeinsamen Ganzen und durchdringen einander. Wie Kassandras Erinnerungsbruchstücke, die sich zwischen der freudvollen Vergangenheit vor dem Krieg und den späteren privaten und politischen Schicksalsschlägen hin- und herbewegen, vermittelt auch Jarrells Musik durch verschiedene Klangfarben und rhythmische Strukturen mehrere Zeitebenen. Durch Selbstzitate und Anspielungen auf Werke von Komponisten wie Schönberg, Bartók, Berio und Kurtág schuf Jarrell ein dicht gesponnenes Gewebe aus Altem und Neuem, vor dem sich Kassandras zukunftslose Rückschau eindringlich entwickelt. Musikalische Leitung: Bas Wiegers Dagmar Manzel, Sprecherin Ensemble Modern In deutscher Sprache mit englischen Übertiteln
Aufführungen | Schauspiel

Der Schneesturm

Salzburger Festspiele

Uraufführung: 16.8.2025 In einer Fassung von Kirill Serebrennikov Uraufführung Nach seinem Titel gefragt, gibt der Autor eine Antwort, die in die Zukunft führt. „Ich liebe den Schnee. Der Schnee bedeckt die Erde und alles wird schön. Da sind die Verwerfungen, all die Widersprüche des Alltags und dann schneit es und die Welt ist schön“, sagt Vladimir Sorokin im Gespräch über seinen Roman, der wie bei Puschkin und Tolstoi den Titel Метель (Schneesturm) trägt und auf den ersten Blick ein Kondensat, ein Intertext der russischen Schneesturmtradition zu sein scheint. „Wenn Sie unterwegs sind und in einen Schneesturm geraten, war es das. Es ist ein schönes Phänomen, aber auch ein schreckliches, schicksalhaftes Ereignis. Meine Erzählung hat in Wahrheit drei Protagonisten: den Arzt, seinen Kutscher und den Schneesturm. Am Ende siegt der dritte.“ Wie die Schönheit des Schnees ist auch die Sprache des 19. Jahrhunderts, in der Sorokin erzählt, eine Täuschung. Der hellsichtige Visionär führt uns mit Referenzraum, Personal und Erzählsound zunächst in die Irre. Die postapokalyptische Odyssee des Arztes Garin, der einen Impfstoff in eine abgelegene Ortschaft bringen will, wo eine mysteriöse Seuche die Bewohner·innen in Zombies verwandelt, spielt in der Zukunft. Auf einer retrofuturistischen Kutschfahrt durch ein weißes, weites Land — nichts in Sicht außer Schnee — verlieren Leser·innen wie Figuren jedes Gefühl für Entfernung und Zeit. Sie begegnen grotesken Gestalten, Riesen und Zwergen, erleben erotische Eskapaden und drogeninduzierte Halluzinationen. Die sind so schrecklich, dass das einfache Leben wieder lebenswert erscheint. Die Reise verliert ihr Ziel aus dem Blick, die Katastrophe hält den Atem an und die Mission bleibt unerfüllt. In der finalen Begegnung mit dem Schneesturm kommt die existenzielle Road Novel an ihr Ende. Die bemerkenswerte Schlusspointe des Romans deutet auf etwas Neues, das auf uns zukommt und unsere kollektive Vorstellungskraft überfordert: Der halb erfrorene Doktor und sein toter Kutscher werden ausgerechnet von Chinesen gefunden. Chinesen, die alles Verwertbare einsammeln, um den Ort des Scheiterns dann gleichgültig dem endlos fallenden Schnee zu überlassen. Aber wohin bringen sie ihre Beute? Und was folgt auf das Ende unserer vertrauten Welt? Nach seiner Inszenierung gefragt, antwortet der Regisseur mit einer fragmentarischen Aufzählung. „Schnee. Kleine Pferde. Eine gläserne Pyramide. Der Weg. Unendlichkeit. Sehnsucht. Sturm. Nichts. Traum. Täuschung. Wind. Riesen. Dunkelheit. Zweifel. Gefrorene Zeit. Ein Fehler. Die verlorene Welt. Zombies. Der Impfstoff. Schicksal. Kampf. Tod. Ein eiskalter Raum. Erlösung?“ Auch in Kirill Serebrennikovs Inszenierung ist der Schneesturm Hauptfigur. Er ist vielstimmig und meist weiblich. Er führt und verführt. Er schimpft, tanzt, singt, schweigt und stellt die letzten Fragen. Er bringt die alles umarmende Kälte. Und den Schlaf, den man nicht schlafen darf. Er führt uns ins Herz der Helligkeit. Whiteout. Der Horizont verschwindet, Erde und Himmel gehen nahtlos ineinander über. Die vertraute Welt, Farben und Formen verschwinden, Referenzpunkte, Kontraste, Konturen lösen sich auf. Man befindet sich inmitten eines vollkommen leeren, unendlich ausgedehnten weißen Raums und verliert das Gleichgewicht. In diesem Taumel der absoluten Orientierungslosigkeit verortet Kirill Serebrennikov seine Inszenierung. Ein existenzielles Cabaret führt das Publikum in den Kontrollverlust. Wo ist unten, wo oben? Wohin soll ich gehen? Warum überhaupt weitergehen? Wie wird es enden? Mit Tod oder Rettung? Vladimir Sorokin gilt als einer der bedeutendsten russischen Prosaautoren der letzten Jahrzehnte und einer der schärfsten Kritiker des russischen Staates und dessen Krieges gegen die Ukraine. Der international anerkannte Regisseur und ehemalige Künstlerische Leiter des Gogol-Zentrums in Moskau, Kirill Serebrennikov, hat seit dem Beginn des Angriffskriegs in der Ukraine Russland verlassen und lebt in Deutschland. 2023 gründete er seine Theatergruppe KIRILL & FRIENDS mit Sitz in Berlin. Regie, Bühne und Kostüme: Kirill Serebrennikov Bühne und Kostüme: Vlad Ogay Musik: Alexander Manotskov Choreografie: Evgeny Kulagin Video-Design: Ilya Shagalov Licht-Design: Sergej Kuchar Sound-Design: Viacheslav Kasianov Künstlerische Produktionsleitung: Alina Aleshchenko Dramaturgie: Birgit Lengers Mitarbeit Bühne und Kostüme: Elizaweta Veprinskaja Besetzung: August Diehl, Dr. Garin Filipp Avdeev, Perkhusha Sonja Beißwenger Yang Ge Malika Maminova, Marimba, Vibraphon, Perkussion Belendjwa Peter Frol Podlesnyi, Live-Kamera Mikhail Poliakov, Keyboard Varvara Shmykova Claudius Steffens Eine Koproduktion der Salzburger Festspiele mit dem Düsseldorfer Schauspielhaus und KIRILL & FRIENDS Company In deutscher Sprache mit englischen Übertiteln
Aufführungen | Schauspiel

Le Passé

Salzburger Festspiele

Premiere: 28.7.2025 In einer Adaption von Julien Gosselin; Übersetzung von André Markowicz Eine Produktion von Si vous pouviez lécher mon coeur Tournee-Produktion: Odéon-Théâtre de l’Europe Ein Theaterstück entsteht nie aus einer Idee. Stattdessen ist es das Ergebnis einer perfekten Mischung aus Leben, Theater und Dingen, die wir erreichen wollen, oder solchen, die wir nicht erreichen. Während der Proben zu Players, Mao II, The Names nach Don DeLillo überlegte ich mir, wie es wäre, einen Klassiker wie Die Möwe zu inszenieren und die Produktion nach jener Szene, in der Treplews Stück aufgeführt wird, in Zerstörung und der Auslöschung der Figuren münden zu lassen — entweder durch einen Überfall bewaffneter Terroristen oder das allmähliche Verschwinden der kostümierten Figuren von der Bühne. Zunächst dachte ich, das sei das Resultat meiner Wut auf die Theaterwelt, ihre Traditionen und die vermeintlichen Erwartungen des Publikums an das, was es kennt, also an das Repertoire. Einige Monate später telefonierte ich mit dem Übersetzer André Markowicz. Ich erzählte ihm, dass ich zum ersten Mal einen alten Text in Betracht ziehen würde, und beschrieb ihm die Geschichte einer sterbenden Gesellschaft zu Beginn des 20. Jahrhunderts in der Art von Gorkis Kinder der Sonne . Aber Gorki ist nicht so mein Fall, seine Stücke sind mir zu hart und zu physisch. Ich wollte nicht von Wut erzählen, sondern von einem Abschied. Die Leute sollten nicht durch die Waffen der Revolution getötet werden, sondern im Laufe der Handlung einfach langsam aussterben. Ich dachte an Houellebecq, bei dem es am Ende von Karte und Gebiet heißt: „Die Vegetation trägt den endgültigen Sieg davon.“ Ich dachte auch an Regisseure, die klassische Stücke inszenieren. Ich dachte daran, was man zu sagen pflegt: „Die Dramatiker sprechen zu uns.“ — „Shakespeare ist moderner als alle anderen Bühnenautoren.“ Und ich schaute zurück auf meine bisherigen Arbeiten. Die zeitgenössischen Texte, mit denen ich bislang gearbeitet habe, erschienen mir wie verlorene, vergessene Welten, auf die jemand aus der Perspektive der Zukunft blickt, aus einer Zeit, in der unsere Gesellschaften tot sind — und die Welt auch. Heute denke ich, dass wir klassische Texte adaptieren, weil sie eine Distanz zu uns haben — und nicht aufgrund ihrer bleibenden Qualität. Wir wollen Menschen wiedersehen, die nicht mehr auf der Welt sind, die sie verlassen haben. Wir wollen Sprachen hören, die sich im Laufe der Zeiten verändert haben; wir wollen verstehen, wer wir waren, und die Toten wieder lebendig sehen. Genau das versuchte ich, André Markowicz zu erklären. Ich sagte ihm, ich wolle ein Stück machen, das vom bevorstehenden Aussterben der Menschheit handelt und zugleich vom Verschwinden des klassischen Theaters. Ein bitterer und ehrlicher Abschied von der Menschheit und ihren Konventionen. Er fragte mich: „Kennen Sie Leonid Andrejew?“ Ich hatte den Namen noch nie gehört. Die Lektüre seiner Werke war ein regelrechter Schock für mich. Zum ersten Mal fühlte ich eine menschliche Nähe zu einem längst verstorbenen Autor. Andrejew ist anders als andere Autoren seiner Zeit. Er schrieb Theaterstücke, Kurzgeschichten, symbolische Arbeiten. In seinem Werk findet man in allen Szenen, Dialogen und Sätzen Wörter, die einen völlig in ihren Bann schlagen — so als könnte man mit wenigen Worten an das eigentliche Herz des Schmerzes und der Schönheit der Welt rühren. In der für ihn typischen Verbindung von Theater, Text, Bild und Musik beschwört Julien Gosselin in diesem einzigartigen Blick auf die Vergangenheit ein Panorama aus gemalten Leinwänden, Theatersälen und Wohnungen im Kerzenlicht und alten Kostümen. Sie stehen neben Kameras und gläsernen Räumen als Bilder der heutigen Zeit. Der Geist von Tarkowskis Solaris schwebt darüber — so wie sich in Tarkowskis Film Bilder von Bauplänen einer Weltraumrakete mit der Darstellung einer Bauernschar auf einem Bruegel-Gemälde abwechseln, entsteht in Gosselins Stück aus der Energie des eruptiven und fantastischen Textes von Leonid Andrejew eine Gedankenschleife. Diese Gedankenschleife besagt, dass die Zukunft die Vergangenheit ist. In der Kombination von opulentem Dekor des bürgerlichen Salons, winterlichen Gärten, gemalten Landschaften und Bühnenhandlung entwirft Gosselin mit seinen Schauspieler·innen und Musiker·innen eine Hommage an eine untergegangene Kunst und Menschheit. Regie: Julien Gosselin Bühne: Lisetta Buccellato Kostüme: Caroline Tavernier Musik: Guillaume Bachelé Licht-Design: Nicolas Joubert Video-Design: Jérémie Bernaert Sound-Design: Julien Feryn Dramaturgie: Eddy D’Aranjo Mitarbeit Regie: Antoine Hespel Besetzung: Guillaume Bachelé Joseph Drouet Denis Eyriey Carine Goron Victoria Quesnel Achille Reggiani Maxence Vandevelde Eine Koproduktion von Odéon-Théâtre de l’Europe / Festival d’Automne à Paris, Le Phénix Scène Nationale Valenciennes pôle européen de création, Théâtre National de Strasbourg, Théâtre du Nord, CDN Lille-Tourcoing Hauts-de-France, Les Célestins, Théâtre de Lyon / Théâtre National Populaire, Maison de la culture d’Amiens, L’Empreinte, Scène nationale Brive Tulle, Château Rouge, Scène conventionnée d’Annemasse, Comédie de Genève, Wiesbaden Biennale, La passerelle Scène Nationale de Saint-Brieuc, Scène Nationale d’Albi, Romaeuropa Nicht empfehlenswert für Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren In französischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln
Aufführungen | Tanz

Four New Works

Salzburger Festspiele

Premiere: 9.8.2025 Musik von Johann Sebastian Bach, Philip Glass und Hildur Guðnadóttir Produktion: The Blanket ACTUS Duett zu Actus tragicus BWV 106 von Johann Sebastian Bach GERANIUM ’64 Solo von und mit Lucinda Childs, basierend auf Childs’ Solo Geranium (1965) TIMELINE Choreografie für Ensemble zu einer Komposition von Hildur Guðnadóttir DISTANT FIGURE Choreografie für Ensemble zur Komposition Distant Figure (Passacaglia for Solo Piano) von Philip Glass Lucinda Childs zählt zu den bedeutendsten Choreografinnen der Gegenwart. Sie war Mitglied der legendären Judson Dance Theater-Bewegung, die im New York der 1960er-Jahre den Tanz revolutionierte, und prägte mit ihren Arbeiten die Tanzgeschichte seit den 1970er-Jahren wesentlich. Mit Four New Works präsentiert sie gemeinsam mit der Lucinda Childs Dance Company, dem Videokünstler Anri Sala und dem Pianisten Anton Batagov — basierend auf Kompositionen von Philip Glass, Hildur Guðnadóttir und Johann Sebastian Bach — ihre jüngsten Arbeiten sowie ein Solo aus dem Jahr 1965, in dem die Ikone des Tanzes selbst zu erleben ist. Lucinda, das legendäre Stück Geranium (1965) bezog sich auf ein Footballspiel-Finale und ist nun Grundlage für deine Zusammenarbeit mit Anri Sala. Ja, es ist das erste Mal, dass ich es wieder aufnehme. Ich beziehe mich auf einen von vier Teilen der Arbeit, in dem ich mich ursprünglich mit einer Kette und einem Schloss ans Ende einer Hängematte angekettet habe und in einem halbkreisförmigen Bogen bewegte, während ich die Aktion eines Läufers in Zeitlupe ausführte — das Zusammenstoßen, Fallen, Ausstrecken. Für den Soundscore habe ich eine Radioübertragung des NFL-Meisterschaftsspiels zwischen den Cleveland Browns und den Baltimore Colts bearbeitet. Man kann diese Radioübertragung auch in dem neuen Stück hören, für das Anri Sala eine kongeniale Bühnenerweiterung geschaffen hat: aus Licht und einer Projektionswand, auf der wiederum diffuse Bilder des Originalspiels erscheinen, wie Erinnerungen. Es gibt auch eine sehr beeindruckende Umsetzung von Erinnerung in deinem wegweisenden Werk Dance (1979), für das Philip Glass die Musik geschrieben hat. Ihr habt eine lange gemeinsame Geschichte — nun präsentiert ihr Distant Figure . Philip hat Distant Figure ursprünglich mit der Idee komponiert, dass der Pianist Anton Batagov mit meinen Tänzer·innen auf der Bühne ist, aber als eine „distant figure“ im Hintergrund. Das Stück war für die Park Avenue Armory in New York City mit einem Design von James Turrell geplant, aber es kam nie zustande. Also sagte Philip: „Wir machen eine Aufnahme für dich, damit du daran weiterarbeiten kannst, während du auf Tour bist“, und Anton Batagov hat es mit anderen Klavierwerken von Glass aufgenommen. Also hat sich die Choreografie entwickelt, während du dieses wunderbare Stück gehört hast, das mit nur zwei Tönen beginnt und sich zu einer komplexen und berauschenden Bewegung entfaltet? Ja, das Stück hat viel Bewegung. Es öffnet sich, zieht sich zurück, dann gibt es gewissermaßen einen Strudel in der Mitte, der sich wiederholt und dann wieder zusammenbricht. Von Anfang an mochte ich die Idee, mit drei plus drei Tänzer·innen zu arbeiten, was ich zuvor nie getan hatte. Das Tanzvokabular ist sehr Lucinda Childs: Der Puls der Musik wird in schwebende Bewegungen übersetzt, die gleichzeitig einfach und komplex sind, was Distant Figure zu einem beeindruckenden Gegenstück zu Timeline macht. Hildur Guðnadóttirs Musik besteht aus extrem angespannten, wummernden Cello-Strichen, wobei die Musik keine Pulse bietet. Ja, und es gibt Pausen zwischen den Klängen, die sie beim Cello-Spiel erzeugt. Dank der Disziplin, die wir von Merce Cunningham gelernt haben, können die Tänzer·innen einen pulsierenden Rhythmus beibehalten, sowohl individuell als auch kollektiv, was sehr anspruchsvoll ist. Sie zählen ständig. Wir haben jede Phrase entsprechend der Dauer jedes Abschnitts ausgearbeitet. Aber es ist nie dasselbe; es ist alles wie ein Puzzle mit unterschiedlichen Längen und verschiedenen Zeiten. Es ist faszinierend, wie gut sich die Four New Works in Bezug auf musikalische Bandbreite, Tanzsprache, Inszenierung und geschichtliche Zeiträume ergänzen: Es beginnt mit Bach! Philip Glass hat immer gesagt: „Wenn du etwas über Harmonie lernen willst, höre Bach.“ Ich habe oft darüber nachgedacht, aber nie etwas mit Bachs Musik choreografiert. Dann hatte ich einen Auftrag der Opéra National de Lyon und arbeitete zuerst an einem Solo zur Klavierfassung von Bachs berühmter Kantate. Aber es wurde nie uraufgeführt — jetzt kommt es als Duett auf die Bühne. András Siebold im Gespräch mit Lucinda Childs Video, Bühne, Sound (Geranium): Anri Sala Klavier: Anton Batagov Licht-Design: Sergio Pessanha Kostüme: Nile Baker Lucinda Childs Dance Company Eine Produktion des Internationalen Sommerfestival Kampnagel und The Blanket In Koproduktion mit Berliner Festspiele, Chaillot — Théâtre national de la Danse, Paris, La Bâtie-Festival de Genève
Aufführungen | Schauspiel

Jedermann

Salzburger Festspiele

Das Spiel vom Sterben des reichen Mannes Wiederaufnahme Robert Carsens gefeierte Inszenierung des Jedermann mit Philipp Hochmair in der Titelrolle kehrt für eine zweite Saison auf den Domplatz zurück. Jedermann ist ein Stück, in das die Arbeit von zahlreichen Künstlern früherer Zeiten eingeflossen ist, die zum Teil namenlos blieben. Seit mehr als 100 Jahren wird es unter freiem Himmel vor der imposanten Fassade des Salzburger Doms im frei gereimten Text von Hugo von Hofmannsthal aufgeführt, der sich dabei auf ein englisches morality play aus dem frühen 16. Jahrhundert stützte, das seinerseits auf einem noch älteren Stück aus den Niederlanden basiert. Robert Carsens effektvolle Inszenierung verortet Hofmannsthals „Spiel vom Sterben des reichen Mannes“ unmissverständlich in der Welt von heute — in einer Welt, deren Materialismus in harschem Kontrast zur spirituellen Botschaft des Stücks steht. In Carsens Interpretation erkennt Jedermann die komplexe Funktionsweise des Finanzsystems, und es gelingt ihm auch, dessen dynamische Kräfte zu seinem persönlichen Vorteil zu nutzen. Es bereitet ihm offensichtlich sinnliches Vergnügen, sich das Beste von allem, was man mit Geld kaufen kann, zu gönnen. Er scheint wirklich jemand zu sein, der zu leben versteht. Doch gerade, als es am schönsten ist, wird Jedermann an seine Sterblichkeit erinnert — und plötzlich ist er gar nicht mehr so außergewöhnlich, wie es zunächst den Anschein hatte. Verlassen von allen, die er mit seinem Reichtum und seiner Großzügigkeit für sich eingenommen hat, sieht er sich mit einer Aufgabe konfrontiert, die ihm niemand abnehmen kann. Widerwillig beginnt Jedermann, sich und sein Leben zu hinterfragen. Diesen Prozess empfindet er als verstörend, beängstigend und schonungslos. Für uns, die wir ihm dabei zusehen, folgt daraus ganz unmissverständlich: Was ihm widerfährt, kann — und wird — auch uns passieren. Wir Menschen sind unserem Wesen nach nicht imstande, den eigenen Tod wirklich zu begreifen. So bleibt er zumeist etwas, das anderen widerfährt. Wenn es aber für uns selbst ans Sterben geht — was eines Tages geschehen muss —, dann ist es immer zu früh. Warum ist das so, und woran halten wir so verzweifelt fest, wenn wir uns ans Leben klammern? Es sind unter anderem diese Fragen, die im Jedermann erkundet werden. Das Stück bezieht seine Kraft und Resonanz daraus, dass seine Thematik — wenn auch in kodifizierter Form erzählt — jeden und jede einzelne im Publikum betrifft, jedes Jahr, bei jeder Vorstellung. Eine der bedeutendsten Entwicklungen, die Hofmannsthal in die Erzählung einbringt, ist Jedermanns Nachdenken darüber, dass vielleicht anderes als Reichtum und sinnliches Vergnügen wichtig sein könnten, und zwar bevor ihm der Tod erscheint. Direkt nach dem Gespräch mit seiner Mutter — und vielleicht durch dieses ausgelöst — öffnet sich etwas in seiner Psyche und bewegt ihn dazu, seine Lebensführung infrage zu stellen. Damit beginnt seine Suche nach dem Wert und dem Sinn des Lebens, in deren Verlauf Jedermann sich immer weiter Fragen nach der Bedeutung des Todes, der Guten Werke, des Glaubens und letztlich Gottes stellt. Unterstützt und ermutigt von Max Reinhardt, setzte sich Hofmannsthal in seinem Jedermann mit der fundamentalen Frage des Todes auseinander und damit, ob und wie wir uns dafür rüsten können. Dabei kann für Gläubige jedweder Glaubensgemeinschaft die religiöse Vorbereitung im Mittelpunkt stehen, für Hofmannsthal aber spielte meiner Meinung nach auch der Bezug zwischen Kunst und Tod eine große Rolle. Kunst ist das einzige, das bleibt, wie uns die Abfolge der Menschheitskulturen vor Augen führt. Kunst kann uns dabei helfen, mit der Vergänglichkeit unseres Lebens und der Endgültigkeit des Todes umzugehen, sie vielleicht sogar zu bewältigen. Max Reinhardts Idee, den Jedermann im Herzen der Stadt, auf dem Domplatz, aufzuführen, ist erfüllt von Resonanz, aber auch von Freude. Wir dürfen nicht vergessen, dass sich das Stück zwar mit Inhalten beschäftigt, die uns heilig sind, dass es selbst aber kein Heiligtum ist — und weder Hofmannsthal noch Reinhardt hätten wohl gewünscht, dass man es als solches behandelt. Es feiert das Leben, indem es den Tod annimmt, als wäre es Tauffest und Trauerfeier in einem. Jedermann ist eine Zusammenfassung, eine Metapher und eine Allegorie des Lebens. Regie: Robert Carsen Bühne: Robert Carsen, Luis F. Carvalho Kostüme: Luis F. Carvalho Licht: Robert Carsen, Giuseppe di Iorio Choreografie: Rebecca Howell Dramaturgie: David Tushingham Ensemble 013 Dominik Dos-Reis, Tod Philipp Hochmair, Jedermann Andrea Jonasson, Jedermanns Mutter Christoph Luser, Jedermanns guter Gesell/Teufel Susanne Wende, Der Koch Arthur Klemt, Ein Schuldknecht Nicole Beutler, Des Schuldknechts Weib Deleila Piasko, Buhlschaft Lukas Vogelsang, Dicker Vetter Daniel Lommatzsch, Dünner Vetter Kristof Van Boven, Mammon Juliette Larat, Glaube Johanna Egger, Leo Kebernik, Johannes Schöneberger, Paul Winkler, Tischgesellschaft und andere Dauer: ca. 1 h 50 min, ohne Pause

Sie haben noch keinen Login? Dann registrieren Sie sich gleich hier!

Bitte schauen Sie in Ihrem E-Mail-Postfach nach der Registrierungsmail und klicken Sie auf den darin enthaltenen Link.